2. Ostersonntag - Weißer Sonntag der Barmherzigkeit - 07.04.2024
Predigt am Weißen Sonntag/Sonntag der Barmherzigkeit 2024-04- 07
Die letztlich unfassbare Barmherzigkeit Gottes ist heute mein Predigtthema!
Dass Gott „barmherzig“ ist und dass die Menschen barmherzig miteinander umgehen – das ist eine zentrale Botschaft der Bibel. Denken wir an die Botschaft der Propheten, die als Gottes Mund nicht müde werden an das Herz der Menschen zu appellieren: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer! Das ist auch eine Grundbotschaft Jesu in den Evangelien: Denken wir an die Seligpreisung der Barmherzigen am Beginn der Bergpredigt. Denken wir an das Gleichnis vom barmherzigen Vater. Denken wir an den barmherzigen Samariter…
Der em. Kurien-Kardinal Walter Kaspar, einer meiner akademischen Lehrer in Tübingen, zeigt in seinem Buch über die Barmherzigkeit, wie die letzten Päpste das Thema „Barmherzigkeit“ zu ihrem Thema gemacht haben – am allermeisten aber Johannes-Paul II.:
Der hl. Konzilspapst Johannes XXIII. sagt in seinem „Geistlichen Tagebuch“: „Barmherzigkeit“ ist ein anderer Name für „Gott“. Ja, Barmherzigkeit ist der schönste Name Gottes und die schönste Anrede für Gott. Auch in seiner legendären Eröffnungsansprache des 2. Vatikanischen Konzils fehlt der Hinweis auf die Barmherzigkeit nicht. Johannes XXIII. spricht da vom „Heilmittel der Barmherzigkeit“ – wörtlich: „Oft hat die Kirche verurteilt. Heute dagegen möchte die Braut Jesu Christi lieber das Heilmittel der Barmherzigkeit anwenden als die Waffe der Strenge erheben.“ Barmherzigkeit also als Heilmittel der Kirche, als Heilmittel für die Seelsorge.
Diese Gedanken hat Papst Johannes Paul II. vertieft und weitergeführt. Ja, er hat „Barmherzigkeit“ regelrecht zum Leitthema für sein Pontifikat gemacht. Schon seine zweite Enzyklika hieß „Dives in misericordia – Reich an Erbarmen“. Sie spricht vom vielfach bedrohten Menschen und von der Kraft des Erbarmens.
Ein ihm ganz wichtiges Zeichen hat der polnische Papst dann am 20. April 2000 gesetzt: Er hat die polnische Ordensfrau und Mystikerin Sr. Faustina Kowalska (+1938) heiliggesprochen. Es war ganz bewusst seine erste Heiligsprechung im neuen Jahrtausend. Johannes Paul II. war überzeugt, dass ihre Botschaft wie ein Lichtstrahl für den Weg der Menschen im 3. Jt. sein kann. Sr. Faustinas Bild vom barmherzigen Jesus mit dem Lichtstrahl, der vom Herzen Jesu ausgeht, kennt man inzwischen überall auf der Welt. Vgl. die zwei Bilder in der Kirche und Sakristei. Es geht um die Verkündigung der Barmherzigkeit und Liebe Gottes. Gottes Liebe und Barmherzigkeit haben unüberbietbar in Jesus Christus Hand und Fuß bekommen, ein konkretes Gesicht und einen konkreten Namen!
Bei seinem letzten Besuch in seiner polnischen Heimat hat Johannes Paul II. dann die ganze Welt der göttlichen Barmherzigkeit geweiht. Und auf Anregung von Sr. Faustina hat er den Weißen Sonntag zum „Sonntag der Barmherzigkeit“ erklärt. Das war Johannes-Paul II. ein ganz persönliches Herzensanliegen. Kein Wunder, dass es dann von vielen als ein Zeichen der Vorsehung gesehen worden ist, dass Johannes Paul II. just am Vorabend zum Sonntag der Barmherzigkeit gestorben ist. Seine Seligsprechung genauso wie seine Heiligsprechung 2014 sind auch ganz bewusst am Sonntag der Barmherzigkeit gefeiert worden.
Papst Benedikt XVI. hat das Thema Barmherzigkeit von seinem Vorgänger übernommen und immer wieder angesprochen, v. a. auch in seinen großartigen Enzykliken. Für ihn war klar: Deus caritas est – Gott ist Liebe! Und: „Christus begegnen heißt, der Barmherzigkeit Gottes begegnen!“
Papst Franziskus nimmt in seinen Predigten gerne und oft Bezug auf die Barmherzigkeit. V. a. aber seine Zeichen sind es, die für das Thema Barmherzigkeit sprechen: Ganz besonders denke ich da an den Gründonnerstag, wo Papst Franziskus auch heuer wieder die Fußwaschung an 12 Häftlingen vollzogen hat. Er hat ihnen erklärt, dass der barmherzige Jesus nicht müde wird zu vergeben. Wir aber sind es, die müde werden, um Vergebung zu bitten. Heuer waren es übrigens 12 inhaftierte Frauen. Früher einmal wäre das ein absolutes „NO GO“ gewesen: Wie kann man nur, wo Jesus doch nur Männern die Füße gewaschen hat… Das Zeichen der Barmherzigkeit ist wichtiger, das Zeichen der Fußwaschung ist wichtiger als Fragen nach dem Geschlecht – ließ der Vatikan schon vor ein paar Jahren zur Verteidigung von Papst Franziskus offiziell verlautbaren.
Es erstaunt mich daher schon, dass dieses Argument nicht zählt, wenn es um die Amtsfrage in der Kirche geht. Dass da doch wieder die Geschlechterfrage wichtiger erscheint als der so wichtige Dienst und das Zeichen des Priestertums… Wer A sagt, der sollte auch B sagen! Wer fähig ist, so starke Zeichen zu setzen wie Papst Franziskus, der sollte den Zeichen doch dementsprechende Taten folgen lassen…
In den Psalmen, ja in der ganzen Bibel sind immer wieder Staunen und Dankbarkeit zu spüren, dass Gott so barmherzig ist...
Lassen wir uns von Gottes Barmherzigkeit anstecken und prägen! Dann kann auch für uns Jesu Seligpreisung aus der Bergpredigt wahr werden: Selig die Barmherzigen. Sie werden Erbarmen finden. Amen.
Pfarrer Edi Muhrer