9. Sonntag iJK - 02.06.2024 - 'Du sollst den Tg des Herrn heiligen'

Predigt am 9. Sonntag im Jahreskreis B 2024 – 06 – 02
Der biblische Sabbat und der christliche Sonntag sind heute mein Predigtthema!
Die zwei Bibelstellen vom 9. Sonntag kreisen um den Sabbat, um den hl. Sabbat, wie er im orthodoxen Judentum richtig genannt wird. Er ist der Tag des Bundes, der Tag des Auf- und Durchatmens, der Tag der Befreiung. Der Sabbat gilt nicht nur für die Menschen. Er gilt auch für die Tiere. Der Sabbat wird gerne als „das größte Geschenk des Judentums an die Menschheit“ bezeichnet. Dieser wunderbare 7-Tages-Rhythmus hat sich inzwischen über Jahrtausende bewährt und alle anderen Versuche in totalitären Systemen sind gescheitert. Nicht der Mensch, sondern der Sabbat, der hl. Sabbat, ist die Krönung von Gottes guter Schöpfung!
Bei der Gelegenheit - so fair müssen wir Christen sein: Unsere 10 Gebote stimmen beim dritten Gebot überhaupt nicht mit der Bibel überein! Denn natürlich ist in der Hl. Schrift beim Dekalog vom Sabbat die Rede und nicht vom Sonntag, vom Tag danach: Gedenke des Sabbats. Halte ihn heilig…
Als Christen müssen wir weiters neidlos anerkennen, dass wir unsere Sonntagskultur in fast allen Punkten der jüdischen Sabbatkultur verdanken. Wir stehen in puncto Glaube, Feiern und Kultur auf den Schultern von Riesen. Wir stehen auf den Schultern unserer älteren Schwestern und Brüder. Die alten Kathedralen haben das wunderbar zum Ausdruck gebracht: Da stehen die 12 Apostel auf den Schultern der 12 Stammväter Israels. Da tragen die 4 großen Propheten des Alten Testaments huckepack die 4 Evangelisten des Neuen Testaments. Oder denken wir an den Apostel Paulus mit seinem Bild vom Baum und den Ästen. Er schreibt der Kirche im Römerbrief ins Stammbuch: Nicht du, Kirche, trägst die Wurzel Israel. Nein, es ist die Wurzel Israel, die dich, Kirche trägt und nährt! (Röm, 11, 18c)
Inzwischen gilt der Sonntag als der christliche Urfeiertag: Das ist er freilich erst im Lauf der Jahrhunderte geworden. Ursprünglich war der Sonntag der erste Tag der Woche, ein ganz normaler Arbeits- und Werktag: Am frühen Morgen vor der Arbeit und am Abend nach getaner Arbeit haben sich die Gläubigen versammelt. Im 4. Jh. konnte der hl. Hieronymus schon Folgendes über den Sonntag sagen: „Der Tag des Herrn, der Tag der Auferstehung, der Tag der Christen, das ist unser Tag! Darum wird er auch Herrentag genannt, weil an ihm der Herr siegreich zum Vater aufstieg. Wenn er von den Heiden ‚Tag der Sonne‘ genannt wird, so stimmen auch wir bereitwillig zu: Denn heute ist das Licht der Welt, heute ist die Sonne der Gerechtigkeit aufgegangen, in ihren Flügeln birgt sich das Heil.“
Gegenwärtig geht es den Kirchen und ihren Mitstreitenden v. a. darum, dass der Sonntag nicht ganz dem Geld und den Sachzwängen geopfert wird. Die Kirchen suchen Koalitionen mit Nachdenklichen, damit der Sonntag möglichst arbeitsfrei bleibt, damit er weiterhin als Tag der Gemeinschaft, des Feierns, der Ruhe und der Entschleunigung erhalten bleibt.
Die Bewahrung unserer Sonntags- und Feierkultur ist ein im wahrsten Sinn des Wortes unbezahlbar kostbares Gut. Schon vor Jahrzehnten hat der Philosoph Heinrich Spaemann flammende Plädoyers für die Rettung des Sonntags gehalten. Spaemann wörtlich: „Der gefährlichste Angriff auf den Sonntag geschieht in der Form der scheinbar harmlosen, in Wirklichkeit jedoch heimtückischen Frage, der Frage: Was kostet uns der Sonntag?... Der Sonntag ist nämlich gerade dadurch Sonntag, dass er uns nichts kostet und – im ökonomischen Sinn – nichts bringt. Es ist der Tag, an dem wir uns über die funktionalen Sachzwänge des Alltagslebens erheben und das Leben selbst feiern.“ Ja, der Sonntag hat einen „Mehrwert“, der unbezahlbar ist! Unser Urfeiertag darf nicht dem Diktat des Geldes und den Gesetzen des Marktes geopfert werden darf. Beim Mitteleuropäischen Katholikentag 2004 war das schon eine der großen völkerverbindenden Bitten für ganz Europa: „Die Sonntagskultur bewahren“.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass es im Einsatz für eine gute Sache besser ist, locker zu bleiben. Schon Nitzsche hat es angedeutet, dass er den Erlösten und ihrem Erlöser eher glauben würde, wenn sie „erlöster“ wären und nicht so unerlöst und verkrampft. Das ist auch mein Anliegen mit der heutigen Predigt. Ich lass daher einen lieben Pfarrerkollegen aus Dublin zu Wort kommen. Sidney Laing hat einmal das Kirchengehen mit dem Waschen verglichen. Er zählt parodierend neun Gründe auf, warum es besser ist, sich niemals zu waschen – sprich nicht in die Kirche zugehen:
- Als Kind wurde ich immer zum Waschen gezwungen.
- Menschen, die sich waschen, sind Heuchler. Sie glauben, sie seien sauberer als andere Menschen.
- Es gibt so viele verschiedene Seifensorten. Ich wüsste nie, welche die richtige für mich ist.
- Ich habe mich früher gewaschen, aber es wurde langweilig. Da habe ich aufgehört.
- Ich wasche mich immer noch, aber nur zu besonderen Anlässen wie Weihnachten oder Ostern.
- Keiner meiner Freunde wäscht sich.
- Ich bin noch jung, aber wenn ich älter und ein wenig schmutziger bin, dann wasche ich mich vielleicht.
- Ich möchte nicht die Idee fördern, die Seife herzustellen. Sie sind nur hinter dem Geld her.
- Mir gefällt unser Badezimmer nicht. Es soll zuerst umgebaut werden, dann werde ich mich waschen.
Kein weiterer Kommentar mehr dazu – nur das längst fällige „Amen“!
Pfarrer Edi Muhrer