15. Sonntag B -14.07.2024 - KOMMT & GEHT!
15. Sonntag im Jk B 2024 – 07 – 14/Orden/Berufung und Sendung
KOMMT & GEHT!
Man kann das Evangelium Christi mit diesen zwei Worten zusammen-
fassen: „Kommt & geht!“ Jesus ruft. Er beruft in seine Nachfolge. Und Jesus sendet. Er gibt den Auftrag zu gehen, sich auf den Weg zu machen, die Umkehr, das neue Leben zu verkünden und vorzuleben. Deswegen schickt er ja seine Jünger zu zweit aus, damit sie gleich das praktizieren, was sie predigen. Reden und Tun sollen zusammenklingen, so wie Berufung und Sendung zusammengehören.
Das hat uns auch die Lesung gezeigt – die Berufung und Sendung des Propheten Amos. Amos war ein Bauer. Er wird von seiner Herde weggeholt und zum Propheten berufen. So ist der Viehhirte, der auch Maulbeerfeigen veredelt, zum ersten und ältesten Schriftpropheten in Israel geworden. Er wurde im 8. Jh. v. Chr. als Prophet ein unermüdlicher Rufer für die Treue zu Gott. Amos war ein unbequemer Mahner für soziale Gerechtigkeit und ein Warner vor dem kommenden Gericht…
Der Monat Juli ist vom liturgischen Kalender her derjenige Monat, in dem wir die meisten Ordensleute feiern: Benedikt von Nursia z. B., den Vater des abendländischen Mönchtums, Gründer der BenediktinerInnen und Patron des ganzen Abendlandes; Kamillus, der Gründer des Krankenpflegerordens der Kamillianer; Brigitta von Schweden, Schutzpatronin von Europa und Gründerin des Brigittenordens; nicht zuletzt Ignatius von Loyola, der Begründer des größten und einflussreichsten Ordens in der katholischen Kirche, des Jesuitenordens. Mit einem Augenzwinkern könnten wir sagen: Seit der Wahl von Kardinal Bergoglio ist nicht einmal der Hl. Stuhl mehr vor den Jesuiten sicher…
Vor diesem Hintergrund möchte ich heute in der Predigt drei Anekdoten aus dem Klosterleben weitergeben, etwas von der Weisheit der Mönche und Nonnen. Anekdoten, Geschichten und Erzählungen haben ihre ganz eigene Kraft. Sie können unsere Phantasie, unser Herz und Hirn stärker beflügeln als jede noch so solide Theorie. Gerade in unserem Medien-Zeitalter braucht der Mensch Geschichten! Kinder genauso wie Erwachsene brauchen eine Lese- und Erzählkultur, damit sie geistig und geistlich überleben können. Wir alle brauchen gute Geschichten, damit wir nicht verhungern trotz der vollen Fleischtöpfe auf unseren Tischen.
1.) Zur ersten und wohl bekanntesten Geschichte aus einem Kloster: Der Abt wird von den Besuchern gefragt: „Wie ist das möglich, dass alle Mönche trotz ihrer verschiedenen Herkunft, Veranlagung und Bildung eine Einheit darstellen?“ Der Abt antwortet statt mit einem Bild. Er sagt: „Stellt euch EIN RAD vor. Da sind Felge, Speiche und Nabe. Die Felge ist die umfassende Mauer, die aber nur äußerlich alles zusammenhält. Von diesem Rand des Rades aber laufen die Speichen in der Mitte zusammen und werden von der Nabe gehalten. Die Speichen sind wir selbst, die Einzelnen unserer Gemeinschaft. Die Nabe aber ist Jesus Christus. Aus dieser Mitte leben wir. Sie hält alles und alle zusammen!“
Erstaunt schauen die Besucher auf. Sie haben etwas Wichtiges verstanden. Doch der Abt sagt weiter: „Je mehr sich die Speichen der Mitte nähern, umso näher kommen sie auch einander. Ins konkrete Leben übertragen heißt das: Wenn wir uns Christus, der Mitte unserer Gemeinschaft wirklich und ganz nähern, dann kommen wir auch einander näher. Nur so können wir miteinander und füreinander leben!“
Wir alle sind von dieser Mitte - von Jesus Christus - gehalten! Je näher wir zur Mitte kommen, zu Jesus Christus, umso näher kommen wir auch einander. Jesus, der Christus, ist die Nabe unseres Lebens- und Glaubensrades.
2.) Eine zweite Anekdote weiß davon zu erzählen, dass einmal ein Tourist bei Kartäusermönchen übernachtet. Er ist erstaunt über die spartanische Einrichtung der Klosterzellen. Und so fragt er den Gastpater: „Wo habt ihr denn eure Möbel alle?“
Der Mönch fragt schlagfertig zurück: „Ja, wo haben denn Sie Ihre Möbel?“
„Ich, meine Möbel?“ antwortet verblüfft der Tourist. Ich bin doch nur AUF DURCHREISE hier!“ „Eben,“ sagt der Gastpater, „das sind auch wir: Wir sind nur auf Durchreise hier!“
Diese zweite Anekdote hält uns vor Augen, was uns spätestens bei einem Begräbnis bewusst wird: dass wir hier keine bleibende Stätte haben. Dass wir auf dieser Welt wie Fremde sind, wie Touristen, wie Durchreisende. Unsere Heimat aber ist im Himmel! Die Welt und unser irdisches Leben sind nur die Brücke dorthin. Wir dürfen uns nicht niederlassen und bleiben. Das Ziel, das andere Ufer, wir sollten es nicht aus den Augen verlieren…
3.) Eine dritte Begebenheit aus dem Kloster erzählt schließlich, dass einmal der König den alten und gelehrten Mönch Paulinus in seiner Zelle besucht.
Er will sich seinen Rat holen. Staunend bleibt der König vor den vielen alten, dicken Büchern stehen. Er sagt: „Ich beneide dich, Bruder Paulinus, dass es dir vergönnt ist, die göttliche Weisheit in all diesen gelehrten Werken zu erfassen!“
„Du irrst dich, mein König!“ entgegnet der bescheidene Mönch. Und er führt den König in den Stall. Dort hat gerade der Bruder Stallmeister seine Arbeit für ein kurzes Gebet unterbrochen. „Hier“, sagt Paulinus, „hier aus diesen gefalteten Händen strömt Gottes Kraft und Weisheit in unsere Welt – aus den gefalteten Händen und nicht aus meinen Büchern!“
Die Worte des hl. Paulinus erinnern uns daran, dass die verborgene Kraft der Gläubigen DIE ZUM GEBET GEFALTETEN HÄNDE sind. Dass Gebet und Arbeit zusammengehören, ora et labora!
Sonntag und Alltag, Gottesdienst und Menschendienst dürfen nicht getrennt oder gegeneinander ausgespielt werden...
Die gefalteten Hände, das Gebet der Gläubigen ist die Kraft, die die Welt im Innersten zusammenhält! So ist es. Amen.
Pfarrer Edi Muhrer