Allerheiligen - 01.11.2024
Predigt zu ALLERHEILIGEN 2024
Allerheiligen und das Evangelium mit den Seligpreisungen – die zwei gehören ganz einfach zusammen. Die zwei sind „Stoff“ genug für eine ganze Predigt. Einen dritten Impuls kann ich ja nachmittags dann nachlegen bei der Andacht auf unseren Friedhöfen. Ich möchte jetzt also ganz beim Fest Allerheiligen und beim Feiertags-Evangelium von den Seligpreisungen bleiben. Denken wir heute über die zwei Wörter „heilig“ und „selig“ nach!
1.
Heilig, der Heilige, der Dreimal-Heilige, der Allheilige – das ist in der Bibel Gott, Gott allein. Aber so wie es mit seiner Liebe ist, so ist es auch mit seiner Heiligkeit. Sie strahlt aus, sie fließt über auf alles, was in seiner Nähe ist und sich von ihm berühren lässt. Gottes Heiligkeit strahlt aus auf die Engel. Ihm am nächsten sind die Serafim, die Brennenden. Sie werden so genannt, weil sie Gott, dem Feuer, am nächsten sind. Gottes Heiligkeit erwählt und ergreift Menschen wie z. B. die Propheten, aber auch Orte und Dinge – denken wir nur an den Tempel mit dem Allerheiligsten hinter dem Vorhang. Denken wir an die Thora und die heiligen Schriften.
Im Neuen Testament ist Jesus „der Heilige Gottes“. Dank der Taufe und durch den Heiligen Geist geführt können Menschen dem Ruf und der Berufung zur Heiligkeit folgen. Heiligkeit ist keine Leistung sondern immer zuerst ein Geschenk. Daher wollen uns die Heiligen nie belasten sondern immer entlasten. Viel mehr noch als Vorbilder sind die Heiligen ja unsere Fürsprecher bei Gott. Sie sind - so wie die Engel - für uns da, damit sie uns als Fürsprecher „schützen und nützen“. Paulus spricht die Getauften in seinen Gemeinden gerne als „Heilige“ an. Ob wir es wollen oder nicht: Wir sind so etwas wie das fünfte Evangelium – geschrieben nicht mit Tinte sondern mit Fleisch und Blut. In unserer Kinderecke in der Pfarrkirche lesen wir über den Fotos von den Taufkindern: „Ihr seid ein Ton Gottes“ – Ton im Sinne von Melodie: Denn jedes neugeborene Kind bringt Gottes Melodie in dieser Welt zum Klingen – die Melodie vom Leben, von der Liebe und von der Freude am Leben. Ton aber auch im Sinn von Teig: von formbar sein, sich prägen und kneten lassen von Gottes guten Händen. Mutter Teresa hat dafür ein anderes Bild verwendet, wenn sie sagt: „Ich bin ein Bleistift in der Hand Gottes, der einen Liebesbrief an die Welt schreibt!“
2.
Selig, das ist das zweite Wort, über das ich einladen möchte, dass wir darüber nachdenken. Es ist kein Zufall, dass Jesus die Bergpredigt mit den Seligpreisungen beginnt. Hier wird gleich einmal die sog. „Umkehr der Werte“ sichtbar – dass Gott und Jesus ganz andere Maßstäbe haben als wir sie haben.
Große geistliche Meister haben sich von den Seligpreisungen immer wieder herausfordern und prägen lassen. Denken wir an Martin Gutl: „Endlich einer, der sagt: Selig, die Armen! – und nicht: Wer Geld hat, ist glücklich… Endlich einer, der sagt: Selig, wenn man euch verfolgt! – und nicht: Passt euch jeder Lage an… Aber: Was ist einer gegen so viele?...“ Denken wir an die Seligpreisungen der Kleinen Schwestern von Paris: „Selig, die über sich selbst lachen können, sie werden immer genug Unterhaltung finden… Selig, die einen Berg von einem Maulwurfshügel unterscheiden können, sie werden sich viel Ärger ersparen…“ Denken wir an Papst Franziskus, der in einer Allerheiligenpredigt die Seligpreisungen als „Personalausweis“ der Christen bezeichnet hat. Wir hören seine Worte als Meditation nach der Kommunion… Geistliche Menschen versuchen immer wieder und unverdrossen das Gute und einen Sinn in allem zu sehen. Der Geist der Seligpreisungen zeigt sich für mich im positiven Denken, d. h. im Segnen, im Loben, in der Dankbarkeit und im Zufriedensein. Das war ja in der Antike das höchste Glück und das letzte Ziel des Menschen: die Eudaimonia, die Glückseligkeit.
Allerheiligen und das Evangelium von den Seligpreisungen – das sind für mich immer auch Einladungen in die Schule Jesu zu gehen, in seine Schule der Seligpreisungen, in die Schule des Evangeliums zu gehen, in die Schule des guten Wortes.
Ein sehr gutes Wort zu den Seligpreisungen hat m. E. Eleonore Beck geschrieben (Messbuch 2015, Butzon und Berker). Mit ihren Worten schließe ich die Predigt ab. Sie sagt:
Selig, die reich sind bei Gott und bei den Menschen, sie können großmütig teilen.
Selig, die an den Schaltstellen der Macht sitzen, sie können die Verhältnisse ändern.
Selig, die große Häuser haben und viele Zimmer, sie können Obdachlose aufnehmen.
Selig, die sich um das tägliche Brot nicht zu sorgen brauchen, sie können Hungernde an ihren Tisch laden.
Selig die Getrösteten, sie können Weinende in die Arme nehmen.
Selig, die um eine Antwort nie verlegen sind, sie können für die Verstummten sprechen.
Selig die Lachenden, sie können bei denen sitzen, die nichts zu lachen haben.
Selig seid ihr, ob arm oder reich, ihr könnt Hand in Hand gehen.
So möge es sein. Amen.
Pfarrer Edi Muhrer