2. Adventsonntag - 08.12.2024 - Fest MARIA ERWÄHLUNG
Predigt am 2. Adventsonntag C 2024 – 12 – 08
Drei sind es, die mich heute faszinieren. Drei sind es, auf die ich jetzt in der Predigt eingehen möchte:
1.
An die Spitze stelle ich MARIA. Wir feiern heute das Fest ihrer Erwählung!
Von Anfang an trägt die Menschheit einen schweren Rucksack. Von Anfang an ist die Geschichte des Menschen nicht nur eine Heilsgeschichte. Sie ist auch eine Geschichte von Versagen, von Schuld und Sünde – denken wir an Adam und Eva, denken wir an Kain und Abel, denken wir an die Geschichte von der Sintflut, von Noahs Arche und den Regenbogen. Wir tragen alle an diesem Rucksack. Wird ein Kind geboren, so beginnt die Geschichte nicht bei Null. Nein, jeder Mensch wird hineingeboren in eine Geschichte von Heil und Unheil, von heilig und sündhaft. Wer immer das Licht der Welt erblickt – die Welt ist kein Paradies mehr und keine Insel der Seligen. Was wir ererbt von den Generationen vor uns - es ist viel Glück und Segen dabei, aber auch Fluch und Sünde, haben wir ererbt...
Von Maria glauben wir, dass sie aus diesem ererbten Fluch und aus dieser Erbsünde befreit ist – von Anfang an! Nicht um ihretwillen, nicht um ihrer Eltern willen, sondern ihrer Erwählung wegen: damit sie die sein kann, die der Welt den Messias gebiert; damit sie die Mutter des Erlösers werden kann. Maria ist die Mirjam, die von Gott Geliebte und Erwählte. Die Liebe Gottes hat sie offen gemacht für den Engel des Herrn. Die Liebe Gottes hat sie hellhörig gemacht für den Willen Gottes. Wer geliebt ist, kann lieben, kann zurück lieben, kann antworten auf die zuvor schon erfahrene Liebe.
Maria ragt unter den vielen Heiligen heraus. Schön, dass wir in dieser Woche gleich zwei weitere Gedenktage der Gottesmutter begehen: Am Dienstag ist es der Gedenktag „Unserer Lieben Frau von Loreto“. In Loreto, an der adriatischen Küste in Italien, befindet sich heute das „Hl. Haus“, der Ort des heutigen Evangeliums also, der Ort der Verkündigung, die wir auf einem Glasfenster in unserer Pfarrkirche dargestellt sehen. Am Donnerstag feiern wir den Gedenktag „Unserer Lieben Frau von Guadalupe“ in Mexiko. Einer meiner Kapläne hat mir von dort einmal diese farbenprächtige Stola mitgebracht. Ich verwende sie gerne bei meinen Hausbesuchen am Herz-Jesu-Freitag und bei den Krankensalbungen. Guadalupe mit seinem Gnadenbild und dem Rosenwunder fasziniert seit 1531 die Massen. Es ist mit Abstand der meistbesuchte Wallfahrtsort unserer Kirche.
2.
Als zweites möchte ich einmal mehr auf die FRAGEN hinweisen, auf „die Frömmigkeit des Denkens“ (Schelling) also. Es fasziniert mich, wie sehr die Bibel immer wieder von Fragen geprägt ist. Es beeindruckt mich, dass das Wort Gottes so viel Platz hat für die Fragen. Ganz markant und gleich mehrfach war das heute in der Lesung aus dem Buch Genesis der Fall - Gott selbst, er höchstpersönlich ist es, der da fragt: Adam, wo bist du? Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem ich dir geboten habe, davon nicht zu essen? Was hast du getan? – Was für ein Arsenal an Fragen in diesem kurzen Text vom Sündenfall…
Im Evangelium ist es Maria, die fragt, die zurückfragt, die nicht ungefragt dem Engel ihr Ja-Wort gibt: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?
Fragen hilft. Fragen macht frei. Marias Frage befreit sie, so dass sie dann in voller Freiheit ihr Ja-Wort geben kann. Das ist bei Hochzeiten übrigens ziemlich ähnlich: Braut und Bräutigam können sich das Ja-Wort frei und befreit geben – weil sie schon durch eine Zeit der Fragen gegangen sind, v. a. aber weil sie es ähnlich wie Maria einfach spüren, dass da jemand ist, der mich liebt, bedingungslos, der mich unbedingt will.
Nicht zuletzt ist es Jesus selbst, der das Fragen geadelt hat. In zwei der vier Evangelien sind seine ersten Worte Fragen: Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört? So sein erstes Wort als 12jähriger im Lukas-Evangelium. Im Johannes-Evangelium ist es der bereits erwachsene Jesus, der zwei Jünger des Johannes fragt: Was sucht ihr? Am Passionsspielort Feldkirchen wissen es natürlich alle, dass Jesus zuletzt mit einer Frage stirbt – mit der Warum-Frage: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
3.
Das dritte, das mich beim Lesen der biblischen Texte fasziniert hat, das sind die NAMEN und ihre Botschaft. Nomen es omen. Jeder Name, ein Omen, eine Botschaft… In der Bibel sind Namen nie Schall und Rauch. Sie haben Bedeutung. Sie haben Gewicht und verkünden eine Botschaft:
Adam heißt einfach „Erdling“ – das sind wir alle. Wir alle sind Adam!
Eva heißt übersetzt „Leben“ – das sind wir alle. Wir alle sind Eva!
Maria/Mirjam heißt „die von Gott Geliebte“ – das sind wir alle. Wir alle sind Maria, Gott sei Dank!
Wilhelm Bruners hat einen Text verfasst mit dem Titel „Namenstag“. Er schreibt dazu folgendes:
Sich bergen in den Namen der alten Frauen und Männer – wie in Höhlen.
Hinausgehen in ihrer Kraft, um mit Gott und Menschen zu streiten.
Sich an sie erinnern, wenn die Einsamkeit dunkel hereinbricht
und am Ende durch ihre Freundschaft gesegnet sein. Soweit Wilhelm Bruners.
Wir wissen uns verbunden und geborgen in Namen wie Adam, Eva und Maria. Immer wieder erinnern wir uns an Namen. Durch namentliche Freundschaften sind wir gesegnet. So sei es – in Gottes Namen. Amen.
Pfarrer Edi Muhrer